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Single exposure lightpainting photography. Model: Stepko

Lightpainting – fotografische Technik oder eigenständige Kunstform?

LIGHTPAINTING – BEGRIFFSERKLÄRUNG

Wikipedia zum Thema Lightpainting:

„Light Painting bzw. Light Writing (dt. Zeichnen/Malen/Schreiben mit Licht) ist eine fotografische Technik aus der Langzeitbelichtung, in welcher Fotografien in der Regel bei Dunkelheit oder in abgedunkelten Räumen durch die Bewegung einer (oder mehrerer) Lichtquellen (oder durch Bewegung der Kamera) gemacht werden.“ Ich vermute, diesen Text hat jemand geschrieben der sich noch nie selbst ernsthaft und aktiv mit diesem Thema beschäftigt hat. Die Erklärung, dass das Ergebnis der Arbeit schließlich eine Fotografie ist greift hier einfach zu kurz.

Was sagt denn Wikipedia über den Begriff Fotografie?

„-eine bildgebende Methode,[1] bei der mit Hilfe von optischen Verfahren ein Lichtbild auf ein lichtempfindliches Medium projiziert und dort direkt und dauerhaft gespeichert (analoges Verfahren) oder in elektronische Daten gewandelt und gespeichert wird (digitales Verfahren).“

 Zum Begriff künstlerische Fotografie weiß Wikipedia zu berichten:

„Als künstlerische Fotografie, Fotokunst oder Kunstfotografie werden Anwendungen fotografischer Mittel bezeichnet, bei denen ein inhaltliches oder formales Anliegen ausgedrückt werden soll (und deren Zweck meist nicht unmittelbar die kommerzielle Verwertung ist)“ – Das hilft uns hier also auch nicht weiter.

Gut. Der Begriff Fotografie beschreibt erstmal nur die technischen Aspekte der Aufzeichnung, mehr nicht. Es ist also eine Technik, ein Werkzeug. Dieses Werkzeug hat im Light Painting den gleichen Stellenwert wie die leere Leinwand für den Maler. Würde irgendjemand auf die blödsinnige Idee kommen einen Maler als Leinwandkünstler zu bezeichnen und der Leinwand damit eine Bedeutung beimessen, die diese gar nicht hat? Ich denke nicht. Der Maler könnte auch auf einem Stück Klopapier, an einer alten Wand oder worauf auch immer seine Bilder malen.

An diesem Punkt haben wir es im Light Painting nicht so einfach. Die im Moment zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten erlauben uns nur, unsere Kunst mithilfe einer Kamera zu speichern. Grundsätzlich ist es dem Light Painter aber völlig Schnuppe wie und womit sein Kunstwerk gespeichert wird, also mir jedenfalls. Ich würde auch einen Toaster auf das Stativ stellen wenn dieser meine Kunst festhalten könnte. 

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Singel exposure light painting. Models: Stepko & Hans

DIE KAMERA IST DIE LEERE LEINWAND IM LIGHT PAINTING

Nicht mehr und nicht weniger! Der Maler kauft eine bestimmte Leinwand, sicher gibt es dort Unterschiede in der Qualität. Er spannt diese auf einen Rahmen und beginnt zu malen. Niemand wird diesen Prozess und das Material auf dem das Bild entstanden ist thematisieren wenn er das fertige Kunstwerk betrachtet.

Aber warum wird im Light Painting die Kamera, also unsere leere Leinwand so sehr in den Vordergrund gerückt? 

Zugegeben, der Vergleich mit der Leinwand hinkt etwas. Mit vielen Kameras könnte ich gar kein Light Painting aufnehmen weil sie schlichtweg keine langen Belichtungszeiten steuern können oder das Bild nach 2 Minuten Belichtung durch starkes Rauschen unbrauchbar wäre. Das bedeutet allerdings nur, dass ich meine leere Leinwand besser auswählen muss als der Maler und mehr Geld dafür ausgeben muss. Dafür kann ich meine Leinwand aber immer wieder verwenden, und brauche nicht für jedes Light Painting eine neue.

FOTOGRAFIE? MALEREI? WAS IST LIGHT PAINTING?

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Single exposure lightpainting. Model: Marla

 

Oftmals beides. Im Bild oben haben wir uns das Motiv, den Leuchtturm Dornbusch auf der Insel Hiddensee, bewusst für unser Light Painting ausgesucht. Das Motiv wurde also von uns erst einmal nur fotografiert und dann mit dem Model Marla und unserer Lichtkunst erweitert. Wir haben also in einem Foto rumgemalt, wenn man so will. Aber auch hier ist der größere künstlerische Anteil am fertigen Ergebnis das Light Painting und nicht das Einstellen der richtigen Blende an der Kamera. Die einzige fotografische Herausforderung in diesem Bild war die Wahl der richtigen Blende und des richtigen ISO-Wertes damit das wahnsinnig helle Licht des Leuchturmes nicht komplett und weiträumig ausbrennt.

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Single exposure lightpainting.

 

Im Gegensatz dazu ist dieses Bild ein reines Light Painting oder besser gesagt Light Drawing, aber dazu später mehr.

Hier habe ich nur von mir selbst bewegte Lichter aufgenommen, also das komplette Bild aus dem Nichts erschaffen. Vom Aufnahmeort ist nichts im Bild sichtbar. Ich hätte also dieses Light Painting auch an einem beliebigen anderen Ort machen können, wenn er denn nur dunkel genug ist. Die richtigen Einstellungen an der Kamera für dieses Light Painting zu machen ist keine große Kunst, jedenfalls nicht im Verhältnis zum Aufwand für die Lichtmalerei. Hätte ich nur die Kamera mit den richtigen Einstellungen ausgelöst, also fotografiert!, wäre in diesem Bild genau gar nichts zu sehen. Im Bild darüber hätte ich zumindest eins von gefühlt 2 Millionen Fotos des Leuchtturms bei Nacht auf dem Sensor gehabt.

KLEINES ZWISCHENFAZIT

Die Frage lässt sich nicht so leicht beantworten. Aber, müssen wir die Frage überhaupt beantworten? Ich denke nicht. Light Painting kombiniert fotografische Techniken, Malerei mit Leuchtquellen und andere Techniken und Ideen. Light Painting ist eine eigenständige Kunstform, eine sehr vielfältige zudem. Die Kreativität ist in der Gruppe der Light Painter sehr groß. Die künstlerischen und technischen  Möglichkeiten im Light Painting sind nahezu unbegrenzt.

TECHNIKEN UND BEGRIFFE IM LIGHTPAINTING

Light Painting hat sich als Oberbegriff für jegliche Kunst die mit gesteuertem Licht als Hauptbestandteil eines Bildes arbeitet etabliert. Das Ergebnis ist ein, mithilfe einer, meist digitalen, Kamera aufgenommenes Bild. Dieser Begriff ist nicht korrekt weil er eigentlich nur eine von vielen Techniken beschreibt. Allerdings gibt es einfach keinen anderen passenden, gängigen Begriff.

Im deutschen Sprachraum findet man manchmal Begriffe wie Lichtmalerei oder Lichtkunst.

Den Begriff Light Painting kennen die meisten Menschen und interpretieren ihn auch meist richtig.

Folgende Techniken und Begriffe findet man unter anderem im Light Painting:

  • Light Art – beschreibt jede grafische Kunst die als Hauptbestandteil Licht einsetzt. Das kann alles mögliche sein, von der Lichtinstallation bis zum Light Painting. Hierbei entsteht nicht unbedingt ein Foto als Ergebnis, wenn das Ergebnis ein Bild ist oft als Light Art Photography bezeichnet.
  • Light Painting – eine Person, ein Objekt, ein Raum, eine Landschaft oder andere bereits vorhandene Dinge werden mit meist bewegtem Licht so angeleuchtet, dass sie auf besondere Weise im fertigen Bild zu sehen sind. Bei dieser Technik ist die Lampe selbst gewöhnlicherweise nicht im Bild sichtbar.
  • Kinetische (kinetic) oder choreografische Fotografie, seltener als Camera Painting bezeichnet – hier werden Leuchtspuren durch Bewegungen der Kamera während der Belichtung auf den Sensor der Kamera gemalt. Meist sind die Leuchtquellen fest, möglich ist diese Technik allerdings auch mit bewegten Leuchtquellen oder einer Kombination aus beidem. Die vermutlich häufigste Anwendung dieser Technik ist die Camera Rotation Photography, also das Drehen der Kamera um die eigene optische Achse.
  • Light Drawing, Light Writing und Light Graffiti – bei diesen Techniken werden Leuchtspuren von den verschiedensten bewegten Leuchtmitteln vom Kamerasensor aufgenommen, die Leuchtquelle selbst ist also im Bild sichtbar.

Weitere Begriffe erklärt Jason Page auf seiner Internetseite: https://lightpaintingphotography.com/light-painting-terms/

Viele Light Painter kombinieren mehrere dieser Techniken in ihren Bildern. Ausleuchtung des Raumes (Light Painting), Erstellung einer Figur aus Licht (Light Drawing) und Bewegungen der Camera während der Belichtung sind zwar alles andere als einfach zu planen und in einer Belichtung auszuführen, aber gerade diese Schwierigkeit reizt einige Kollegen, und mich natürlich auch wie man in den Bildern sehen kann. 🙂

STRAIGHT OUT OF THE CAMERA (SOOC) 

Das Light Painting wird in einer einzelnen Belichtung, also zwischen dem einmaligen Öffnen und Schließen des Kameraverschlusses aufgenommen. Das Bild wird so als fertiges Ergebnis betrachtet wie es auf der Speicherkarte gespeichert wurde. Viele Light Painter nehmen allerdings im RAW-Format auf und bearbeiten ihre Bilder später am Rechner in geringem Maße. Als zulässig sehen sie dabei Schärfen, Entrauschen, Änderung des Schnitts und Anpassung des Weißabgleichs an. Weitere Änderungen am Bild werden konsequent unterlassen. Montagen, Ebenenarbeit, Klonen von Bildteilen, starkes Aufhellen und ähnliche Ding gelten als verpönt.

Die meisten Light Painter arbeiten in einer einzelnen Belichtung (SOOC). Sie sehen es als eine Art sportliche Herausforderung ihre Bildidee ohne Gebastel am Computer nur mit Licht in einer Belichtung umzusetzen. Diese Arbeitsweise gilt zum Einen als eine Art Ehrenkodex und zum Anderen als Qualitätsmerkmal. Für viele hat diese Arbeitsweise einen wesentlich höheren künstlerischen Wert als die Erstellung von Light Painting am Computer. Der Maler kann schließlich auch nicht 5 Leinwände mit den einzelnen Bildbestandteilen übereinander legen, störende Teile retuschieren, aufhellen, abdunkeln oder was der digitale Zauberkasten sonst noch so alles hergibt. Genauso wenig hat der Maler so lustige Hilfsmittel wie live composite zur Verfügung. Bei dieser Technik verarbeitet die Kamera mehrere Einzelbilder intern zu einem fertigen Bild. Die Software in der Kamera stellt sicher, dass keine Bildteile überstrahlen, egal wie unüberlegt oder unkonzentriert ich mit meinen Lampen unterwegs bin. Während der Belichtung kann man auf dem Display der Kamera permanent kontrollieren ob man mit der Lampe schon alle Stellen ausreichend beleuchtet hat und dann gegebenenfalls nacharbeiten. Oft höre ich von den Olympus Freunden, dass ja nur das Ergebnis zählen würde und, dass es ja trotzdem richtiges Light Painting sei. Ich will ja niemandem vorschreiben wie er arbeiten soll, für mich ist allerdings auch wichtig wie das Bild entstanden ist. Und für mich hat diese Technik so ein wenig was von „Malen nach Zahlen“. Meine Eitelkeit verbietet mir die Arbeit mit solchen Hilfsmitteln.

Light Painter die ihre Bilder aus mehreren Ebenen in Photoshop erstellen oder sehr exzessiv bearbeiten sind zwar zuweilen recht erfolgreich, werden aber von vielen Kollegen nicht so recht ernst genommen. Besonders schwierig finde ich es, wenn die Herrschaften so tun als hätten sie ihre Bilder in einer Belichtung umgesetzt, und ihr Bild dann womöglich bei einem Wettbewerb einreichen, dessen Teilnahmebedingungen ganz klar „eine einzelne Belichtung“ vorschreiben. 

In diesem Sinne wünsche ich Dir allzeit gutes Licht

Sven

Sven Gerard

Sven Gerard, Jahrgang 1969, geboren und aufgewachsen in Berlin. Er fotografiert seit frühester Jugend mit großer Leidenschaft. Neben dem fotografischen Erkunden zahlreicher beeindruckender verlassener Orte, widmet er sich seit mittlerweile 10 Jahren intensiv dem Lightpainting. Sein umfangreiches Wissen teilt er auf seinem Blog „Lichtkunstfoto.de“, weiteren Publikationen und in seinen Workshops. Darüber hinaus organisiert er Veranstaltungen zum Thema Lightpainting, wie „Light Up Berlin“. Gerard lebt gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin in Berlin und hat einen erwachsenen Sohn. Sven Gerard was born in 1969 and grew up in Berlin. He has been a passionate photographer since his early youth. In addition to photographically exploring numerous impressive abandoned places, he has been intensively involved in light painting for 10 years now. He shares his extensive knowledge on his blog ‘Lichtkunstfoto.de’, other publications and in his workshops. He also organises events on the subject of light painting, such as ‘Light Up Berlin’. Gerard lives in Berlin with his partner and has a grown-up son.

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