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PRÄZISION IM LIGHTPAINTING

WIEVIEL ARBEIT STECKT IN DIESEM LIGHTPAINTING?

DIE IDEE

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Inside Looking Out © Tim Gamble / Fade To Black Light Art

Vor einiger Zeit hat der überaus geschätzte Kollege Tim Gamble aka Fade To Black Light Art ein Light Painting in das Auge eines Models gemalt. Ich hatte zwar vor längerer Zeit auch schon mal die Idee solch ein Light Painting umzusetzen, nach einigen Testaufnahmen meines Auges mit dem Makro-Objektiv hatte ich die Idee dann allerdings (erstmal) wieder verworfen. Das 100mm Makro-Objektiv war so nicht dafür geeignet, ich konnte das Auge nicht Format füllend aufnehmen, die Nahstellgrenze der Linse ist zu lang. Ein anderes Objektiv nur für diese Idee wollte ich nicht anschaffen. 

Als ich dann allerdings das Bild von Tim sah das bewies, dass die Idee funktioniert war ich sofort wieder bei der Sache. Das Gehirn fing an zu rattern um die Frage nach dem WIE zu lösen.

Tim bei Instagram  Tim bei flickr


DIE PLANUNG

Zuerst musste ich eine Lösung finden um das Auge in der richtigen Größe ins Bild zu bekommen bzw. den Orb so klein zu machen, dass er ins Auge passt und das Bild im Anschluss so schneiden, dass der Bildausschnitt so ist wie oben zu sehen.  Der Plan mit dem kleineren Orb war allerdings nicht das was ich wollte und wäre somit nur eine Notlösung.

Kurz hatte ich darüber nachgedacht ein Foto meines Auges auszudrucken oder auf das Tablet zu laden und dieses dann abzufotografieren. Meinem Anspruch, alles in einer einzelnen Belichtung umzusetzen, hätte das zwar genügt, allerdings wäre das nicht das Gleiche gewesen. Es kam mir irgendwie so ein wenig wie Betrug vor. Auf jeden Fall wäre mir diese Lösung zu unsportlich gewesen. Das Auge musste also direkt auf den Sensor.

Irgendwann kam ich dann auf die Idee eine Nahlinse, also ein Art Lupe, vor dem Objektiv zu befestigen. Mit +4 Dioptrien war das Auge dann groß genug. Das Problem bei dieser Technik ist, dass die Schärfentiefe extrem abnimmt. Die Fokussierung wird zum Alptraum, selbst wenn ich nicht selbst mein eigenes Auge fotografiere sondern ein Model mitnehme.

Die meisten der Testaufnahmen sahen dann so aus wie dieses Bild. Hierbei handelt es sich um eine Aufnahme bei Tageslicht. Aber aufgeben kam für mich nicht in Frage, egal ob ich 50 oder 100 Versuche für dieses Light Painting brauche. 

Bei der geringsten Bewegung meines Kopfes, wir reden jetzt von weniger als 1 Millimeter, war das Auge aus  dem Fokus. Also begann ich mit Versuchen meinen Kopf stabiler halten zu können. Letztendlich fixierte ich meinen Kopf in einer Ecke. Ich setzte mich auf einen Stuhl und lehnte dann den Kopf an. 

Nächstes Problem: wie fokussiere ich, wenn ich selbst vor der Kamera sitze?

Bei der Testaufnahme bei Tageslicht konnte ich den Autofokus verwenden, aber in der Dunkelheit würde das nicht funktionieren. Und so richtig sauber und zuverlässig arbeitete der Autofokus mit der Nahlinse ohnehin nicht mehr. Ich befestigte mein Tablet also so am Stativ, dass ich es von meiner Position aus gut sehen konnte. Mein Manfrotto 055 hat einen Anschluss für Zubehör, an diesen kommt ein Magic Arm. Mit der Klemme des Magic Arm habe ich das Tablet festgeklemmt. 

Per W-LAN habe ich Kamera und Tablet verbunden. Mit der Software qDslrDashboard ist es dann möglich das Live View Bild auf das Tablet zu bringen. Damit konnte ich dann komfortabel auf mein Auge fokussieren. Ich sitze ja nur einige Zentimeter vom Objektiv entfernt komme also sehr einfach an den Fokusring ohne den Kopf zu bewegen. Ohne das Live View Bild auf dem Tablet wäre es nahezu unmöglich die Mitte des Auges genau in der Bildmitte zu platzieren. Und wenn die Pupille nicht in der Mitte ist, wird es später nahezu unmöglich das Light Painting, also den Orb und den Stern, genau an der richtigen Stelle zu platzieren.

Bis zu diesem Punkt konnte ich alle Testaufnahmen und Versuche bei Tageslicht machen. Mittlerweile waren etliche Tage, viele Experimente und noch mehr Gedankenarbeit vergangen. Ich war bereit das Light Painting umzusetzen, allerdings mit dem Bewusstsein, dass es alles andere als einfach wird und schnell gehen könnte.


DIE AUSFÜHRUNG

Der erste Schritt für dieses Lightpainting war also das Auge. Ich nahm also meine Position ein und beleuchtete mit einer warmweißen Taschenlampe kurz mein Auge. Die Lampe hat ca. 1200 Lumen. Das ist nicht besonders angenehm damit aus kurzer Distanz direkt ins Auge zu leuchten. Aber was tut man nicht alles für die Kunst. 

Als nächstes drehte ich in unterschiedlichen Abständen zur Kamera danach einige Orbs. Dazu stellte ich ein zweites Stativ auf und wechselte das Objektiv. Für den Orb benutzte ich mein Sigma 14mm/f2,8 mit Blende 11.

Zu klein
Immernoch zu klein

Nach dem vierten Versuch hatte ich den richtigen Abstand zwischen Kamera und Orb ermittelt und auf dem Boden mit einem Stück Gaffa-Tape markiert.

Als Nächstes montierte ich einen Kreuzlinienlaser auf dem Blitzschuh der Kamera. Das Laserkreuz richtete ich jetzt genau auf die Markierung am Boden aus. Somit war (halbwegs) sichergestellt, dass der Orb genau in der Bildmitte sein würde. Der Laser hat zwar eine sehr geringe Abweichung, ich musste dann allerdings immer noch den Orb GENAU an der markierten Stelle drehen. Wenn ich auch nur 1-2 Zentimeter beim Drehen von der Markierung abweiche würde das Bild nicht funktionieren. 

Der letzte Schritt, der Stern, wäre dann fast ein Kinderspiel. In welcher Höhe der Mittelpunkt des Orbs sein würde war durch mein Orbtool vorgegeben. Dieses benutze ich so schon seit vielen Jahren, ich weiß also ganz genau wo die Mitte ist.

Für den Stern machte ich dann einige Testaufnahmen mit dem 14mm Sigma Objektiv. Schnell stellte sich heraus, dass die Linse viel zu viele lustige Effekte mit aufnimmt, wie im Bild rechts ganz gut zu sehen ist. Ich habe weder blaues Licht um den Stern noch diesen orangen Ring gemalt. 

Also musste eine andere Lösung her. Ich schraubte das Meyer Optik Görlitz 35mm an die Kamera, stellte Blende 22 ein und voilà, ein Stern wie aus dem Bilderbuch war auf dem Display der Kamera zu sehen. Der zusätzliche Objektivwechsel fiel bei dem Aufwand für dieses Bild nun auch nicht mehr ins Gewicht.

Jetzt wurde es ernst. Kamera auslösen, das Auge einleuchten, dann Stativ und Objektiv wechseln, mit der Led Lenser P5R.2 den Stern machen, nochmal das Objektiv wechseln, den Orb drehen und die Belichtung mit dem Funkauslöser stoppen. 

Nach den ersten Versuchen bemerkte ich, dass der Orb ein Stück zu weit rechts ist. Ich korrigierte die Position um einige wenige Zentimeter, dann passte es.

Bei den weiteren Versuchen war dann entweder das Auge nicht genau in der Mitte, das Auge nicht richtig fokussiert, der Orb sah nicht gut aus, der Akku der Led Lenser M3R am Orb-Tool war leer, zu lange die Lampe für den Stern eingeschaltet, die Batterien meines Funkauslösers waren leer…  was eben so alles schiefgehen kann. Nach „nur“ 23 Versuchen war das Bild dann tatsächlich fertig. Mit all den Testaufnahmen landeten in dieser Nacht 187 Dateien auf der Speicherkarte, einzig für das eine Ergebnis ganz oben.

Ich denke nicht, dass diese Anleitung irgendjemanden, der bei halbwegs klarem Verstand ist, zum Nachmachen animieren wird. Allerdings ist der Artikel sicher ein guter Einblick in unsere typische Arbeitsweise im Light Painting. Der Aufwand für die meisten unserer Light Painting Bilder ist zwar bei weitem nicht so immens wie bei diesem Bild, aber der Prozess von der Entwicklung einer Idee, über den Bau geeigneter Light Painting Werkzeuge und anderer Hilfsmittel, über Testaufnahmen und Stellproben bis zur Umsetzung der fertigen Choreografie ist meist sehr ähnlich.

 

In diesem Sinne wünsche ich Dir allzeit gutes Licht

Sven

Sven Gerard

Sven Gerard, Jahrgang 1969, geboren und aufgewachsen in Berlin. Er fotografiert seit frühester Jugend mit großer Leidenschaft. Neben dem fotografischen Erkunden zahlreicher beeindruckender verlassener Orte, widmet er sich seit mittlerweile 10 Jahren intensiv dem Lightpainting. Sein umfangreiches Wissen teilt er auf seinem Blog „Lichtkunstfoto.de“, weiteren Publikationen und in seinen Workshops. Darüber hinaus organisiert er Veranstaltungen zum Thema Lightpainting, wie „Light Up Berlin“. Gerard lebt gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin in Berlin und hat einen erwachsenen Sohn. Sven Gerard was born in 1969 and grew up in Berlin. He has been a passionate photographer since his early youth. In addition to photographically exploring numerous impressive abandoned places, he has been intensively involved in light painting for 10 years now. He shares his extensive knowledge on his blog ‘Lichtkunstfoto.de’, other publications and in his workshops. He also organises events on the subject of light painting, such as ‘Light Up Berlin’. Gerard lives in Berlin with his partner and has a grown-up son.

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