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SOOC – Was ist erlaubt? Was ist verboten?

Was bedeutet „Straigth Out Of the Camera – SOOC“ im Bereich der Light Art Photography? 


Bei kaum einem anderen Thema gehen die Meinungen in der Light Painting Community so weit auseinander. Auf der einen Seite gibt es die Puristen, die ihre Bilder konsequent im JPEG-Format auf die Speicherkarte schreiben und nachträglich am Computer nicht bearbeiten. Weder Schärfen und Entrauschen noch eine Änderung des Schnitts halten sie für akzeptabel.

Am anderen Ende sind dort die Fotografen für die einzig das Ergebnis zählt und die alles am Computer aus ihren Bildern „rausholen“ was technisch möglich ist. Composings aus mehreren Einzelaufnahmen, klonen von Teilen des Bildes, „Retusche“ unsauber ausgeführter  Lichtfiguren, Veränderung der Farben im Bild usw..

Meiner Meinung nach gibt es ein echtes, puristisches SOOC nicht, und kann es auch nicht geben. Selbst wenn ich meine Light Paintings mit einer analogen Kamera aufnehmen würde kann ich durch Wahl des Films, Veränderungen im Entwicklungsprozess und Wahl des Fotopapiers einen sehr großen Einfluss auf des Ergebnis nehmen. Wenn ich die Bilder mit einer digitalen Kamera aufnehme sind die Unterschiede noch größer.

Eine Nikon D810 hat nun mal einen größeren Dynamikumfang als eine Canon Eos 700D. Die Abbildungseigenschaften meiner Meyer Optik Görlitz Objektive sind nun mal deutlich besser als die einer 18-300 Kit-Linse. Und letztendlich hat die kamerainterne Verarbeitung von den Rohdaten des Sensors zum fertigen JPEG-Bild ebenfalls einen sehr großen Einfluss auf das Ergebnis. Auch wenn ich alles auf „Standard“ belasse; Sony benutzt ganz andere Algorithmen als Pentax oder Nikon in der internen Bildverarbeitung. Demzufolge habe ich ein anderes Bild wenn ich die gleiche Szene mit zwei unterschiedlichen Kameras aufnehme.

Ist die Frage überhaupt wichtig?

Das muss wohl jeder für sich selbst entscheiden. Den meisten Betrachtern unserer Bilder wird es wohl völlig Schnuppe sein wie das Bild entstanden ist. Viele Leute können sich überhaupt nicht vorstellen, dass man solche Bilder in einer Belichtung so fotografieren kann.

Allerdings ist es mir selbst nicht Schnuppe wie ich meine Bilder mache!

Von einigen professionellen Kollegen (keine Light Painter, sonder klassische Fotografen) werde ich zuweilen verspottet, weil ich meine Bilder nicht am Computer einem aufwendigen Postprocessing unterziehe und stattdessen das Bild lieber 20 mal aufnehme bis es sitzt (Time is Money). Wobei eine aufwendige Bearbeitung sicherlich mehr Zeit in Anspruch nehmen würde als die Wiederholung einer Choreografie von 10 oder 15 Minuten Dauer. Auch wenn das Light Painting dann erst beim fünften oder sechsten Versuch gelingt.

Auf der anderen Seite gibt es Leute, die die Nase rümpfen wenn ich ein störendes Teil, z.B. ein Verkehrszeichen in Gimp aus dem Bild entferne oder den Schnitt des Bildes am Rechner ändere. Allerdings würde ich immer eher ein störendes Teil vor der Aufnahme aus dem Bild entfernen, auch wenn es mit etwas Aufwand verbunden ist. Bei einem Verkehrszeichen ist mir der Aufwand allerdings meist zu groß.

Ich versuche es mal mit einem Vergleich: 

Die Aufgabe ist 42,195 Kilometer zurück zu legen. Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten. Der Erste läuft die Strecke, der zweite fährt sie mit dem Fahrrad und der dritte fährt sie mit dem Auto. 
Der Autofahrer wird das Ziel sicherlich am Schnellsten erreichen, egal ob er mit dem Trabbi oder dem Aston Martin fährt. Aber was ist das für eine Leistung eine solche Strecke mit dem Auto zu fahren? Selbst im Trabbi keine großartige, würde ich sagen. Bewundern wird man den Aston Martin Piloten wohl nur weil er ein so teures Auto fährt. 
Der Radfahrer wird wohl als zweiter die Strecke schaffen. 42,195 Kilometer radfahren mag für einen Untrainierten auf einem 30 Jahre alten Klapprad mit 20 Zoll Felgen sicher eine nicht alltägliche Leistung sein, aber besonders beeindruckend ist diese Strecke für den Radfahrer nicht.

Der Läufer wird am längsten brauchen und die größte Anstrengung hinter sich haben. Allerdings wird er die meiste Befriedigung und das größte Glücksgefühl haben wenn er es geschafft hat. Und wenn dann noch der Purist barfuß läuft und während des Laufs nichts trinkt wird er sich noch großartiger fühlen wenn er es geschafft hat. 

Wenn jetzt jemand ein Light Painting am Computer zusammen bastelt und unter das Bild schreibt, dass es ein Composing ist, finde ich das völlig in Ordnung. Schwierig wird es nur wenn alle drei in Sportkleidung loslaufen, der Erste nach 1 Kilometer ins Auto steigt, der Zweite nach 1 Kilometer aufs Fahrrad umsteigt und beide den letzten Kilometer dann wieder laufen.  Auf unser Thema übertragen also, wenn Light Painter so tun als hätten sie das Bild in einer einzelnen Belichtung umgesetzt aber tatsächlich das Bild aus mehreren Bildern mit dutzenden Ebenen in Photoshop zusammen gebastelt (Auto), oder Hilfsmittel wie Mehrfachbelichtung, Light Composite oder ähnliche Funktionen der Kamera benutzt (Fahrrad).  Der Läufer wird dann wohl kaum damit einverstanden sein, dass die anderen beiden den gleichen Applaus bekommen wie er. Und niemand wird wohl sagen, dass er doof ist weil er keinen Führerschein und kein Fahrrad hat, und nicht jeden Trick anwendet um Erster zu sein. Niemand wird die beiden Anderen für wahnsinnig clever halten wenn ihre Schummeleien auffliegen.

Was ist „erlaubt“? Was ist „verboten“?

Diese Maßstäbe gelten natürlich nur für mich persönlich. Wer bin ich denn, dass ich  anderen Light Art Fotografen irgendwelche Vorschriften machen könnte? 

Ich nehme meine Light Art Bilder immer in einer einzelnen Belichtung auf. Ich nehme immer im RAW-Format auf. Die Kamera befindet sich immer im manuellen Modus. Der Autofokus ist immer ausgeschaltet, die meisten von mir verwendeten Objektive haben auch gar keinen. Der Weißabgleich steht auf „Auto“. 

Folgendes mache ich immer am Rechner:
– Umwandlung in JPEG

– Schärfen

– Entrauschen

– automatische Objektivkorrektur

Folgendes mache ich ohne jede Hemmung bei Bedarf:

– Anpassung des Weißabgleich

– Anpassung von Helligkeit und Kontrast

– Änderung des Schnitts

– Ausrichten des Bildes wenn ich zu blöd war die Kamera gerade hinzustellen

– Korrektur der Perspektive wenn dadurch nicht die Form des Light Painting verändert wird

– entfernen von störenden Teilen im Bild wenn das Light Painting dadurch nicht verändert wird und diese Teile sich nicht vor Ort entfernen oder abdecken lassen

Folgendes würde ich mit Bedenken in seltenen Fällen machen. 

Solch ein seltener Fall könnte zum Beispiel sein, dass ich mehrere hundert Kilometer zu einer Location fahre in die man mal nicht so einfach zu jeder Zeit rein kommt und die unter Umständen einen dreistelligen Betrag als Miete kostet:

– entfernen von störenden Teilen die ich selbst zu verantworten habe oder ganz einfach hätte wegräumen können

– starke Anpassung / Veränderung der Farben 

– nachträgliches Aufhellen von zu dunklen Stellen 

Was ich unter keinen Umständen machen würde:
– Alles was das eigentliche Light Painting, besonders die Form verändern würde.Wenn ich den Orb Scheiße gedreht habe dann drehe ich das Ding eben so oft bis es gut ist. 

– Klonen von Lichtfiguren oder ähnliches. Wenn ich zwei Orbs im Bild haben will dann drehe ich eben zwei. Wenn ich einer jungen Dame Flügel verpassen will dann mache ich Flügel und nehme nicht ein einzelnes Bild eines Light Blades und klone das 150 mal und bastel die Flügel am Rechner hinter die Dame. 

– Entfernen von Bildteilen die ich durch Ausleuchtung sichtbar gemacht habe; Blödheit muss bestraft werden, auch wenn es die eigene ist.

– Composings. Wenn der Himmel heute Scheiße aussieht dann mach ich das Bild eben morgen oder übermorgen oder nächsten Monat nochmal und rechne nicht den Himmel aus einem anderen Bild hinein. 

– Und alles was die digitale Trickkiste noch so her gibt. Wasser ins Bild rechnen, Gewitter rendern lassen oder was es da sonst noch für Spielerein gibt. 

Fazit:
Wenn es mir nur auf das leichte, schnelle Ergebnis ankommt, wenn es mir egal ist ob ich von den Kollegen ernst genommen werde und wenn ich keinen Ehrgeiz habe meine Bilder auf „ehrliche“ Weise in einer Belichtung auf den Sensor zu malen kann ich natürlich ganz tief in die digitale Trickkiste greifen. Allerdings sollte ich nicht versuchen die Leute zu verarschen in dem ich ihnen erzähle, dass meine Bilder „echte“ Light Paintings sind.

In diesem Sinne immer gutes Licht gewünscht

Sven

Sven Gerard

Sven Gerard, Jahrgang 1969, geboren und aufgewachsen in Berlin. Er fotografiert seit frühester Jugend mit großer Leidenschaft. Neben dem fotografischen Erkunden zahlreicher beeindruckender verlassener Orte, widmet er sich seit mittlerweile 10 Jahren intensiv dem Lightpainting. Sein umfangreiches Wissen teilt er auf seinem Blog „Lichtkunstfoto.de“, weiteren Publikationen und in seinen Workshops. Darüber hinaus organisiert er Veranstaltungen zum Thema Lightpainting, wie „Light Up Berlin“. Gerard lebt gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin in Berlin und hat einen erwachsenen Sohn. Sven Gerard was born in 1969 and grew up in Berlin. He has been a passionate photographer since his early youth. In addition to photographically exploring numerous impressive abandoned places, he has been intensively involved in light painting for 10 years now. He shares his extensive knowledge on his blog ‘Lichtkunstfoto.de’, other publications and in his workshops. He also organises events on the subject of light painting, such as ‘Light Up Berlin’. Gerard lives in Berlin with his partner and has a grown-up son.

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